15 Jahre automatischer U-Bahn-Betrieb in Nürnberg: sicher, zuverlässig und pünktlich unterwegs – Weltweit rund 100 automatische U-Bahn-Linien – Aktuell hat die VAG die Optimierung des Energieverbrauchs im Visier
Alle Welt spricht von Automatisierung des Schienenverkehrs, vom autonomen Fahren gar: In Nürnberg wurde am 14. Juni 2008 die erste vollautomatisierte U-Bahn-Linie, die U-Bahn-Linie U3, in Betrieb genommen. 2010 war mit der U-Bahn-Linie U2 die zweite Nürnberger U-Bahn-Linie komplett auf vollautomatischen Betrieb umgestellt. Seither fahren die zwei Linien zuverlässig und sicher inzwischen insgesamt 24
U-Bahnhöfe an und das mit einer sehr hohen Pünktlichkeitsquote von über 98 Prozent.
Was in Nürnberg seit 15 Jahren Alltag ist, war beispielsweise für die Gäste des Kirchentages faszinierend. Wie in der Anfangszeit die Nürnberger Bevölkerung standen sie in den automatischen Zügen an der Panoramascheibe und blickten auf die Strecke oder in den Tunnel.
Die beiden U-Bahn-Linien waren zwar nicht die ersten vollautomatischen U-Bahn-Linien der Welt, aber es waren die ersten in Deutschland und die ersten, die zum damaligen Zeitpunkt weltweit zwei Besonderheiten aufwiesen und damit letztlich Technikgeschichte geschrieben haben. Die damals bereits bestehende U2 (Röthenbach – Ziegelstein bzw. Flughafen) und die gerade im Bau befindliche U3 (2008: Gustav-Adolf-Straße – Maxfeld) teilen sich im Innenstadtbereich einen gemeinsamen Streckenabschnitt mit sechs Bahnhöfen. Da die VAG den Betrieb auf der U2 nicht unterbrechen wollte, war es ein weltweites Novum, dass eine U-Bahn-Strecke bei laufendem Betrieb, unter rollendem Rad automatisiert werden sollte. Es klappte dank eines guten Konzeptes. Der Betrieb musste während der Automatisierung der U3 nicht einen Tag stillstehen. Weltweit einmalig war auch, dass es auf dem gemeinsamen Streckenabschnitt zwischen Rothenburger Straße und Rathenauplatz einen sogenannten Mischbetrieb mit fahrergesteuerten und vollautomatischen Zügen gegeben hat. Dieser Mischbetrieb wurde nach dem 14. Juni 2008 auf der U2 fortgeführt und zwar so lange bis, nach und nach, auf der U2 immer mehr und schließlich nur noch automatische Züge unterwegs waren.
Stark nachgefragt
Im Vor-Coronajahr 2019 waren insgesamt 106,8 Millionen Fahrgäste mit der Nürnberger U-Bahn unterwegs, 48,9 Millionen davon auf der U2 und U3. Wie im gesamten ÖPNV gingen die Fahrgastzahlen in den Coronajahren 2020 bis 2022 auch auf der U-Bahn stark zurück. Insgesamt gehören U2 und U3 im Innenstadtbereich und nach Norden mit diversen Schulstandorten zu den besonders stark frequentierten Streckenabschnitten. Wichtig die Knotenpunkte Hauptbahnhof und Plärrer, wo es in alle Himmelsrichtungen Umsteigemöglichkeiten auf Straßenbahn- und Buslinien gibt bzw. am Hauptbahnhof auf die Bahn. Insgesamt gilt wie für die U1, dass je näher am Zentrum, je mehr Fahrgäste.
Die U3 wächst noch
Während die U2 bereits im Jahr 1999 ihren Endbahnhof erreicht hat, entstehen im Südwesten der U3 derzeit noch zwei Bahnhöfe mit neuen Wohn- und Gewerbegebieten. Kleinreuth bei Schweinau und Gebersdorf werden 2026 in Betrieb gehen; dann hat auch die U3 ihren absehbar letzten Punkt erreicht.
Mehr Service für die Fahrgäste und mehr Abwechslung für die Mitarbeitenden
Ein zentraler Aspekt der Automatisierung war „Mehr Service für die Fahrgäste“. Hier haben nach wie vor die Mitarbeiter*innen des Kunden- und Systemservice, kurz KUSS, ihre Funktion. Die VAG hatte von Beginn an das Ziel, die U2 und U3 vollständig zu automatisieren, also auf einen grundsätzlich fahrer- und begleiterlosen Betrieb umzustellen. Die Züge werden vollständig über ein technisches System geführt und überwacht. Es müssen keine Mitarbeiter*innen an Bord sein, die das Signal zum Türenschließen geben oder den Startknopf drücken. Die Beschäftigten im Kunden- und Systemservice stehen den Fahrgästen an den Bahnsteigen und in den Zügen zur Verfügung. Darüber hinaus haben sie ein Auge darauf, dass alles im optimalen Zustand ist und prüfen, ob die Sicherheitseinrichtungen funktionsfähig sind. Für die Mitarbeitenden ist es eine willkommene Abwechslung, nicht nur Züge zu bewegen, was sie auf den automatischen Linien nur im Notfall tun, sondern Service bieten zu können. Die VAG profitiert zudem, weil sie weniger Personal für den Betrieb der U2 und U3 benötigt, als wenn Fahrer*innen die Züge steuern würden.
Hohes Interesse
Ungebrochen und die vergangenen fünf Jahre wieder steigend ist das Interesse der Fachwelt und anderer Verkehrsunternehmen an dem Nürnberger Automatisierungsprojekt. Das Interesse bezieht sich einmal auf die Technik, die für die Steuerung und die Überwachung des Betriebes notwendig ist, über die Sicherheitseinrichtungen, beispielsweise die Bahnsteiggleisüberwachung, bis hin zu den Aufgaben fürs Personal und zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit während der Automatisierung. Auch die Umsetzung eines solch großen Projektes und eventuelle Hürden auf dem Weg sind Themen. Im vergangenen Jahr waren beispielsweise Gäste aus Wien, Hamburg, Dubai oder London in Nürnberg zu Gast, um sich aus erster Hand zu informieren. Die VAG profitiert selbst von diesen Besuchen, erfährt sie doch über diese Kontakte, welche Themen und Technologien derzeit im Fokus sind. Langfristig könnte es in Nürnberg nämlich doch noch zu einer Automatisierung der U1 (Langwasser Süd – Fürth Hardhöhe) kommen bzw. wird eines Tages die Technik auf der U2 und U3 modernisiert werden müssen.
Aktuell gibt es weltweit ca. 100 vollautomatische U-Bahn-Systeme wie in Nürnberg. Nach Nürnberger Modell, also bei laufendem Betrieb, wurde beispielsweise die Metrolinie 1 in Paris umgestellt. In Deutschland gibt es aktuell ein Automatisierungsprojekt in Hamburg.
Energieverbrauch senken
Derzeit hat die VAG den Fokus auf einer weiteren Senkung des Energieverbrauchs auf den U-Bahn-Linien U2 und U3. Diese eignen sich besonders, weil die Fahrzeuge laufend mit optimierten Fahrplandaten versorgt werden. Die Züge bekommen auf die Sekunde genau den Impuls zum Anfahren und Beschleunigen oder Bremsen und Anhalten.
Die VAG hat hierfür ein Kooperationsprojekt mit dem Fraunhofer Institut und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) laufen. Durch eine umfangreiche Analyse von Fahrt- und Streckendaten und die Entwicklung mathematischer Modelle konnte bereits belegt werden, dass der Energieverbrauch von U-Bahnen nennenswert reduziert werden kann. Durch Tests werden die optimierten Fahrplandaten unter realistischen Bedingungen weiter verfeinert.
Zur Erläuterung: Der Energieverbrauch kann reduziert werden, wenn das Anfahren und Bremsen der U-Bahnen optimal aufeinander abgestimmt werden. Dabei können bremsende Züge elektrische Energie direkt an gleichzeitig anfahrende Züge abgeben. Hier kommt es darauf an, dass Züge möglichst dann anfahren, wenn bremsende Züge elektrische Energie in die Stromschiene rückspeisen.
Bilanz nach 15 Jahren automatischen U-Bahn-Betrieb
Für Andreas May, der von Beginn an beim Projekt zur Realisierung eines automatisierten U-Bahn-Betriebes dabei war, der das Gesamtprojekt schließlich als Projektleiter geführt hat und inzwischen seit fünf Jahren Betriebsleiter Schiene der VAG ist, steht im Rückblick fest: „Auch wenn wir uns vor gut 25 Jahren mit den ersten Überlegungen zur Automatisierung auf neues Terrain begeben haben und viele an der Realisierbarkeit gezweifelt haben: Wir haben das Automatisierungsprojekt erfolgreich zu Ende gebracht. Wenn heute in der Region kaum noch jemand von unseren beiden automatischen U-Bahn-Linien Notiz nimmt, die Fahrgäste selbstverständlich einsteigen, ist das ein eindeutiger Beleg, wie gut unsere U2 und U3 laufen. Bei den Punkten Sicherheit, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sind wir unschlagbar.“ Und ganz persönlich fügt Andreas May hinzu: „Was gibt es im Berufsleben Schöneres, als ein innovatives Projekt so umzusetzen, dass die Nutzer*innen, also unsere Fahrgäste, damit bestens unterwegs und zufrieden sind.“