9-Euro-Ticket hat Potenzial des ÖPNV gezeigt - VAG-Vorstand fordert klare Priorisierung von Bussen und Bahnen
Selten hat der ÖPNV in Deutschland so viel Aufmerksamkeit erfahren, so viele Debatten ausgelöst und so viele Schlagzeilen und Beiträge in den Medien bekommen, wie durch die Einführung des bundesweit gültigen 9-Euro-Tickets für die Monate Juni, Juli und August. Viele Menschen nutzten die Gelegenheit und haben Busse und Bahnen in ihrer Stadt und Region im Alltag, aber auch in der Freizeit teils erstmals ausprobiert. Auch in Nürnberg und im Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) waren Busse und Bahnen gefragt.
Seit 1. September ist das 9-Euro-Ticket Geschichte und es gelten wieder die Tarife im jeweiligen Verkehrsgebiet. Mit der Entscheidung der Bundesregierung für ein weiteres Entlastungspaket für die Bürger*innen werden die Diskussionen um ein vergünstigtes Tarifprodukt aber fortgesetzt.
Tim Dahlmann-Resing, Vorstand Technik und Marketing der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg: „Das 9-Euro-Ticket war ein einmaliges Angebot für alle Bürger*innen; ob sie schon zum Kreis unserer regelmäßigen Fahrgäste gehörten oder noch nicht. Für uns Verkehrsunternehmen war es aber gleichzeitig eine große Herausforderung. In Nürnberg sind wir dank des guten Angebotes mit drei U-Bahn-Linien, fünf Straßenbahn- und 52 Buslinien und einem dichten Takt gut durch die Zeit und die Nachfragesteigerung gekommen. Vor allem im Freizeitverkehr war das Ticket Türöffner. Dank der Nachfrage haben wir in Nürnberg wieder das Vor-Pandemieniveau erreicht bzw. dies sogar leicht überschritten.“
Mit Blick auf die weitere Entwicklung des ÖPNV gibt sich Dahlmann-Resing auf Basis der ersten Nachfragedaten im September, die ca. fünf Prozent unter den Vergleichszahlen aus September 2019 liegen, vorsichtig optimistisch: „Wir hoffen, dass viele neue Fahrgäste auf den Geschmack gekommen sind und erkannt haben, dass der ÖPNV vor allem in einer Großstadt wie Nürnberg, die über die S-Bahn auch schon gut an die Region angebunden ist, eine sehr gute Alternative zum Auto ist. Wir werden sehen, wie viel Einfluss das Thema Ticketpreis hat. Wobei: Das Autofahren wird sicher nicht günstiger, wie jeder an der Zapfsäule sehen kann. Zudem reicht es nicht, nur die Benzinpreise anzusehen, es gilt insbesondere beim Auto eine Gesamtkostenrechnung zu machen.“
Dass ein günstiges Ticket den Anstoß geben kann, den Nahverkehr zu nutzen, aber bei weitem nicht das einzige Kriterium dafür ist, hat die regionale und bundesweite Marktforschung zum 9-Euro-Ticket gezeigt. In den Erhebungen wurde das Ticket als sehr gutes Angebot bewertet, das einfach und nur einmal im Monat zu kaufen war. Hauptgrund zum Kauf war der günstige Preis. Für viele Nutzer*innen war es ein guter Anlass, das Auto stehenzulassen und den ÖPNV kennen-zulernen.
Bei den Nürnberger*innen zeigten sich im Aktionszeitraum deutliche Veränderungen in der Verkehrsmittelwahl im Vergleich zu Mai 2022. Die Verkehrsmittel des ÖPNV (U-Bahn, Straßenbahn, Bus und S-Bahn/Regionalbahn) gewannen deutlich an Marktanteil dazu. Der Anteil der Vielfahrer*innen, die den ÖPNV mindestens zwei bis drei Mal pro Woche nutzten, verdoppelte sich. Gleichzeitig wurde der Pkw als Fahrer*in oder Mitfahrer*in seltener genutzt. Der Anteil regelmäßiger Pkw-Nutzer (mindestens einmal pro Woche) sank um neun Prozent. Weiterhin zeigte sich, dass die Befragten das Ticket stärker nutzten als der Bundesdurchschnitt. Das zeigt, dass ein gutes Nahverkehrsangebot, wie es in Nürnberg vorhanden ist, die Voraussetzung für den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel ist. Am häufigsten wurden Alltagsfahrten für Erledigungen zum Einkaufen oder zum Besuch bei Freunden, aber auch Wege zur Arbeit oder zur Ausbildung unternommen.
Essenziell ist deshalb für den VAG-Vorstand, dass sich die Rahmenbedingungen für den ÖPNV insgesamt verbessern. „Wir dürfen mit Blick auf das Klima, die Umwelt und die Lebensqualität nicht nur die Verkehrswende anmahnen, sondern wir müssen auch alles dafür tun, dass sie gelingen kann. Als Verkehrsunternehmen leisten wir gerne unseren Beitrag. Aber es braucht vor allem auch eine verlässliche und entsprechend große Unterstützung bei der Finanzierung von Bussen und Bahnen. Das gilt für kommunale Verkehrsunternehmen wie Bahnunternehmen, das gilt für die Städte wie für die Region, die oft über gar kein relevantes ÖPNV-Angebot verfügt. Wenn mehr Menschen auf Busse und Bahnen umsteigen sollen, brauchen wir eine klare Priorisierung des ÖPNV. Dazu gehört einerseits, dass Infrastrukturprojekte möglichst gute Rahmenbedingungen in der Umsetzung bekommen und Prozesse beschleunigt werden. Uns ist klar, dass das nicht von heute auf morgen geht, weil es dafür nicht nur die finanziellen Ressourcen braucht, sondern auch die entsprechende qualifizierte Personalausstattung. Und wir müssen andererseits mit dem Bund und den Ländern über eine Kofinanzierung der betrieblichen Kosten für den gewünschten weiteren Angebotsausbau sprechen, denn diese Kosten können nicht weiter alleine von den Kommunen gestemmt werden. Es braucht jetzt schnelle Entscheidungen, da wir sonst die selbst gesteckten Klimaziele bis 2030 nicht erreichen können.“